Seminar „Spessart und Wald“

 

 

Dienstag, 17.08.04

 

Ankunft der Seminarteilnehmer

 

Bürgermeister Selinger begrüßt die sämtlich pünktlich erschienenen Teilnehmer. Er führt aus, dass Städtepartnerschaften durch die Begegnungen der Bürger miteinander mit Leben erfüllt werden. Viele Begegnungen bedeuten somit viel Leben. Er freue sich insbesondere, dass so viele junge Leute an diesem Seminar teilnehmen, da die Jugend die Zukunft der Partnerschaften darstellt. Bürgermeister Selinger stellt fest, dass sich das Seminar in erster Linie um das Thema Wald bewegt, er hoffe jedoch, dass die Teilnehmer Gelegenheit haben werden, die Stadt und ihre Bürger kennen zu lernen. Er wünscht den Teilnehmern einen angenehmen Aufenthalt und viele interessante Eindrücke.

 

Der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Lohr begrüßt die Seminarteilnehmer ebenfalls. Er führt in das Seminarprogramm ein und gibt organisatorische Hinweise.

 

Im Anschluss erfolgt die Verteilung in die Gastfamilien.

 

Mittwoch, 18.08.04

 

Besiedelungsgeschichte des Spessarts und Lebensgrundlagen der Bevölkerung

 

Am Treffpunkt wird von Seiten der Organisationsleitung für diejenigen, die Lohr noch nicht kennen eine kurze Einführung in Stadtstruktur, Stadtgeschichte und geographische Situation gegeben. Gleichermaßen wird die augenblickliche wirtschaftliche Situation dargelegt und festgestellt, dass mit der Betriebsbesichtigung der Fa. Bosch Rexroth die Geschichte an Ihrem Ende begonnen wird.

 

Im Anschluss spaziert die Gruppe durch die Wöhrde zum neuen Haupteingang des Werkes I der Fa. Bosch Rexroth.

 

Für die Betriebsbesichtigung wird die Gruppe zur Zeitersparnis in eine polnischsprachige und eine französischsprachige Gruppe eingeteilt.

 

Der Führer stellt die Produktionskette während des Rundgangs von den Gießereiprodukten bis zum gesteuerten Zylinder dar. Er erläutert Funktionsweise und Steuerung sowie die praktischen Einsatzmöglichkeiten der Produkte. Die interessierten Fragen aus der Gruppe werden von ihm beantwortet.

 

Nach der Mittagspause führt Meinrad Amrhein die Exkursion in den Spessart zunächst durch das Lohrtal zum Wiesbüttsee mit Informationen zu Mühlen und Eisenhämmern und der Besiedelung in Partenstein und Frammersbach. Er erläutert die historischen Verkehrsverbindungen durch den Spessart über die alten Handels-straßen. Der Name Eselsweg stamme von den Eseln, die das Salz aus Bad Orb transportierten. Anderweitige Spekulationen weist er zurück.

 

Am Wiesbüttsee beschreibt er diesen als künstliches Wasserreservoir des 18. Jahrhunderts für den Betrieb der Metallgewinnung in den Bergwerken, die das Wasser für die Zerkleinerung des Erzes und die Metallschmelze sowie die übrigen damit zusammenhängenden Arbeitsvorgänge benötigten.

 

In Wiesen wird am Beispiel des Jagdschlosses der Mainzer Bischöfe dargestellt, dass der Schwerpunkt der Landesherren im Spessart auf der Jagd lag.

 

Im Anschluss stellt Meinrad Amrhein die Geschichte des Ortes Heinrichsthal dar. Der Name stamme von Heinrich Fleckenstein, der hier im 17. Jahrhundert eine Glashütte betrieben habe. An den Landesherren, den Erzbischof von Mainz, habe er geschrieben, er benötige Land für seine 52 Enkelkinder. Dies sei der Ursprung des Ortes Heinrichsthal.

 

Nach vorsichtiger Annäherung mit dem Bus auf schmalen Forststrassen, wies ein Schild den richtigen Weg. An der Ausgrabungsstätte der Glashütte Birklergrund verdeutlicht Herr Amrhein die historischen Produktionsweisen für Glas, die Rahmenbedingungen und die Entwicklung der Glaserzeugung sowie den Warenverkehr.

 

Auf der Rückfahrt beschreibt Herr Amrhein, dass im Oberlauf der Lohr im frühen 19. Jahrhundert die Grenze zwischen dem Königreich Bayern und Preußen verlief, und zwar dort wo heute Bayern und Hessen aneinander stoßen. Für die damals häufigen Banden von Räubern war dies eine besonders angenehme Situation. Wenn sie nämlich einen Raubzug in Bayern beendet hatten, so konnten sie leicht über die Landesgrenze flüchten und sich so der Verfolgung entziehen.

 

Am gemeinsamen Grillabend hatten die Teilnehmer Gelegenheit ausführlich mit dem Referenten zu diskutieren und nahmen diese Gelegenheit wahr. Das vom Referenten mitgebrachte Spessarter Scherzglas führte aufgrund der Vorsicht der Teilnehmer trotz der Füllung mit Weißwein nicht zu durchnässten Kleidern.

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 19.08.04

 

Waldwirtschaft Geschichte der Waldnutzung im Spessart

 

In Vertretung von Herrn Mergner führt Herr Forstoberrat Fleischmann die Gruppe und beginnt mit seinen Erläuterungen über die Eigentumsstruktur in seinem Forstamtsbereich. Nach einer Einführung in die geologischen Verhältnisse im Spessart geht er auf die Hauptbaumartenzusammensetzung und deren Unterschiede im Nord- und Südspessart ein.

 

Anhand des Borkenkäfers referiert er über Baumschädlinge und deren Auswirkungen auf den Wald.

 

Er zeigt die Historie der Holznutzung mit Brennholzgewinnung, industrieller Glaserzeugung und den weiteren Nutzungsarten auf. Er erläutert die Konzeption der Mittelwaldbewirtschaftung und macht einen Exkurs zu den ökologischen Aspekten der Waldwirtschaft.

 

Die ergänzenden und weiterführenden Fragen aus der Runde beantwortet er. Zum Abschluss des Vortrags dankt der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins dem Referenten für die ausgezeichnete Routenwahl und seine interessanten Ausführungen.

 

Nach der Mittagspause erreicht die Gruppe zu Fuß mit leichter Verspätung die Fa. Spessart Glas.

 

Nach einem kurzen Exkurs in die Geschichte der Glaserzeugung bespricht der Führer die heutigen Bestandteile des Glases und die verschiedenen Grundprodukte, wie Quarzglas oder Wasserglas. Er geht dann über zur Produktpalette der Lohrer Glashütte. Anhand von Dias zeigt er den Ofenbau und die Funktionsweise der Glasöfen.

 

Mit Hilfe von Schemata erläutert er den Prozess des maschinellen Glasblasens und erläutert, dass die Pharmaindustrie in Reinraumtechnologie hergestellte und verpackte Gläser benötigt.

 

Auf dem anschließenden Rundgang durch den Betrieb zeigt er die vorher theoretisch besprochenen Arbeitsvorgänge.

 

Im Anschluss wandern die Teilnehmer zum Treffpunkt an der Forstschule zurück, wo aus sich die jugendlichen Teilnehmer des Seminars zusammenfinden, um gemeinsam mit der Jugendgruppe des Partnerschaftsvereins Lohr a. Main einen gemütlichen Abend zu verbringen.

 

 

Freitag, 20.08.04

 

Waldwirtschaft

 

Nachdem die Gruppe mit dem Bus im Wald abgesetzt wurde, stellt sich Herr Rückert von der Forstverwaltung der Stadt Lohr a. Main vor. Er erläutert, dass die Stadt Lohr einer der größten kommunalen Waldbesitzer in Bayern sei und beziffert die Eigentumsfläche der Stadt Lohr mit ca. 4.000 ha, also der Größe von 4.000 Fußballfeldern.

 

Herr Rückert äußert die Meinung, die Hauptaufgabe der Gruppe sei, spazieren zu gehen, sodass mittags und nachmittags für die Pausen ausreichend Hunger bei den Teilnehmern vorhanden ist. Dazwischen will er einige Erläuterungen über seinen Wald geben.

 

Herr Rückert erläutert an einem Punkt die Grundprinzipien des Waldbaus in der Stadt Lohr. Er vergleicht Naturverjüngung mit Pflanzung in ökologischer und ökonomischer Hinsicht. Er erläutert den naturgemäßen Waldbau. Er stellt die unterschiedlichen Standartanforderungen der Baumarten dar und vergleicht Alter, Wachstum und Wert der Baumarten am Beispiel von Buche und Eiche. Er stellt dar, dass es im Spessart Eichen gibt, die Kaiser Napoleon I persönlich kennen gelernt haben.

 

Am nächsten Punkt der Exkursion erläutert er die Auswirkungen der erfolgten Naturverjüngung nach 20 Jahren. Dann sind die im Schirm vorhandenen alten Bäume noch dicker geworden und die Verjüngung hochgewachsen. Die alten Bäume haben nun eine Länge bis zu 38 m, die Jüngsten von einem Zentimeter. Er stellt dar, dass diese Art der Verjüngung nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile bietet. Die Bedeutung des Todholzes diskutiert Herr Rückert und weist darauf hin, dass dreiviertel der Stadtwälder im Rahmen des Schutzes durch die EU als Flora-Fauna-Habitate ausgewiesen sind.

 

Anhand des nächsten Waldbildes erläutert Herr Rückert noch einmal die Auswirkung von Licht und Schatten auf den Waldboden und die Vegetation und stellt die Notwendigkeit der Jagd für den Waldbau in den Vordergrund.

 

Am nächsten Haltepunkt erklärt Herr Rückert die beiden unterschiedlichen Arten der Jagd, die Jagd vom Hochsitz aus und die Treibjagd. Am nächsten Punkt erläutert Herr Rückert die Umsatz- und Ertragssituation des Lohrer Stadtwaldes und stellt die Abhängigkeit von den Arbeitslöhnen dar.

 

Mit zwei Waldarbeitern zeigt Herr Rückert der Gruppe wie die Fällung mit der Motorsäge erfolgt. Zum Erstaunen aller Teilnehmer fallen die Bäume in die vorher angegebene Richtung.

 

Nach der Mittagspause beschreibt Herr Rückert die Geschichte der Weikertswiese als Rodungsinsel, die vom Erzbischof von Mainz für vor 200-300 Jahren für die Pferdezucht genutzt wurde. Heute weist die Weikertswiese aufgrund ihrer seltenen Flora große ökologische Bedeutung auf und soll deshalb im Zuge der NATURA 2000 unter Schutz gestellt werden. Anschließend setzt die Gruppe ihren Weg Richtung Waldabteilung Pfirschhöhe fort. An einem neuen Waldbild erläutert Herr Rückert die Bedeutung des Todholzes im Wald und die wirtschaftliche Bedeutung der Rückegassen.

 

Anschließend informiert Herr Rückert darüber, dass für manche Bereiche des Stadtwaldes Aufzeichnungen vorhanden sind, die die Waldwirtschaft über 250 Jahre beschreiben. So sind für manche Waldabteilungen Waldwirtschaftspläne aus dem 18. Jahrhundert vorhanden, auf die zurückgegriffen werden kann. An der Pfirschhöhe angekommen stellt er die dortige Jagdhütte vor, die während des 2. Weltkrieges Flüchtlinge aus Lohr beherbergt hat.

 

Bernhard Rückert informierte die teilweise ermatteten Teilnehmer nach Rückkunft auf den Schloßplatz darüber, dass der heutige Fußweg eine Strecke von ca. 12 bis 13 Kilometern aufgewiesen hatte.

 

 

Samstag, 21.08.04

 

Ökologie im Wald

 

Samstag morgen referiert Herr Manfred Wirth, der Umweltschutzbeauftragte der Stadt Lohr, über die Umsetzung der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie der Europäischen Union in Lohr a. Main und diskutiert über die darüber hinaus in Lohr geleistete Arbeit in Naturschutz und der Landschaftspflege. Anhand von Dias stellt er die Bedeutung des Naturschutzes dar und zeigt die Schutzziele für Tier- und Pflanzenarten auf.

 

Trotz erheblicher Probleme der ehrenamtlicher Übersetzer mit den Fachbegriffen für die Spezies der Tier- und Pflanzenarten werden aus der Teilnehmerschaft viele Fragen zur Vertiefung des Themas gestellt.

 

Die Fahrt mit dem Linienbus nach Sackenbach verläuft, bis auf eine kleine von der Gruppe ausgelösten Verspätung beinahe ereignislos.

 

Nach dem Mittagessen, dankt der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins dem Schützenverein Sackenbach für die Zusammenarbeit und die Organisation des Nachmittags und gibt Erläuterungen zum Ablauf des Luftgewehrschießens.

Anschließend wird der Wettbewerb begonnen.

 

Nach Auswertung der Schießergebnisse musste ein Stechen zwischen den beiden Besten durchgeführt werden, die 43 von 50 möglichen Ringen erreicht hatten. Das Stechen gewann der beste polnische Teilnehmer vor der besten französischen Teilnehmerin.

 

Nach der Rückfahrt in die Stadt versammelt sich die Gruppe im Spessartmuseum, wo sie vom Museumsleiter Herrn Bald begrüßt wird. Herr Bald führt die Gruppe durch die Glasausstellung im Spessartmuseum und legt nach kurzer Wiederholung der Methoden der Glaserzeugung besonderes Augenmerk auf die Produkte der Glasindustrie. Er stellt die Hohlglasproduktion und deren verschiedene Verzierungstechniken ebenso dar, wie die Flachglasproduktion und die hieraus entstehenden Endprodukte.

 

Er geht auf die drakonischen Strafen ein, die denjenigen Mitarbeitern der kurmainzischen Spiegelmanufaktur drohten, die sich Unpünktlichkeit oder schlechter Leistung schuldig machten Er zeigt auf den sprechenden Spiegel, der seinen Namen von den Inschriften in seinen Medallions ableitet und stellt dar, dass die sprechenden Spiegel, die in der Kurmainzischen Spiegelmanufaktur in Lohr produziert wurden, einer der Gründe sind, die zu der Überzeugung geführt haben, Schneewittchen müsse eine Lohrerin gewesen sein.

 

Die Abendveranstaltung begann mit der Siegerehrung der Teilnehmer am Luftgewehrschießen. Die beiden ersten erhielten ihre Preise. Jeder Seminarteilnehmer erhielt eine Anstecknadel mit dem Lohrer Stadtwappen.

 

Im Anschluss führte Bürgermeister Selinger zur Bewertung des Seminars aus, er freue sich ganz besonders darüber, dass eine große Anzahl von Jugendlichen anwesend ist, denn diese seien die Zukunft der Partnerschaft. Er hoffe, dass alle zufrieden nach Hause gehen und sagen könnten, sie hätten einiges Neue über den Wald und seine Funktion erfahren. Es sei ein wesentlicher Teil der Begegnung, etwas über das Leben der Partner zu erfahren.

 

Marie-Hélène Roussel als Vertreterin des Bürgermeisters der Stadt Ouistreham bemerkte, dass mit den beiden Seminaren, dem Seminar „Meer“ in Ouistreham im letzen Jahr, sowie dem Seminar „Spessart und Wald“ die Partnerschaft zwischen den beiden Kommunen auf einen neue Ebene gehoben worden sei. Gruppen aus den Partnergemeinden haben einen Einblick in das wirtschaftliche und touristische Leben der beiden Partnerstädte bekommen.

 

Anita Radoch-Klimkicwicz dankte im Namen der polnischen Delegation für die Einladung. In Ihren Dank schloss sie insbesondere die Gastfamilien ein, die von den Jugendlichen währenddessen mit kleinen Geschenken überrascht wurden.

 

Zum Abschluss dankte der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins all jenen, die zum Gelingen des Seminars beigetragen haben. Insbesondere dankte er dem europäischen Partnerschaftsfonds, der Fa. Bosch-Rexroth, der Fa. Spessart Glas, den Stadtwerken Lohr und der Stadt Lohr für die materielle Unterstützung, den Partnern für die gute Zusammenarbeit, den Referenten und Dolmetschern für die Erarbeitung und den Transport der Seminarinhalte sowie insbesondere dem Organisationsteam und den Gastfamilien. Sodann eröffnete er das Buffet.

 

 

Sonntag, 22.08.04

 

Abreise der Delegationen

 

Am Sonntag morgen wurden planmäßig die Teilnehmer verabschiedet. Aufgrund der Herzlichkeit des Abschieds entstand eine halbstündige Verspätung der Abfahrt.